
“Die Jugend sitzt den ganzen Tag nur am Handy!”, grummelt ein älterer Herr in der Straßenbahn. Aber schaut man sich mal in der eigenen Umwelt einen Tag lang um, dann weiß man gar nicht so recht, was man dem entgegenhalten soll. Fakt ist: Das Smartphone hat einen enorm hohen Stellenwert in unserem Leben eingenommen und die Art und Weise verändert, wie wir kommunizieren, konsumieren und leben. Zum besseren oder schlechteren? Das muss wohl auf individueller Ebene entschieden werden.
Keine Sorge, der Gastbeitrag von Deniz von Erschaffe Dich Neu (2018: Blog inaktiv) soll kein plumpes Niedermachen der Generation Smartphone sein. Viel mehr erzählt er von seinen eigenen Erfahrungen, wie verschiedene Apps ihn immer mehr in den Bann gezogen haben, bis er schließlich süchtig war. Und wie er mit einem Selbstexperiment sich diesem Teufelskreis entziehen konnte.
Denn eines ist klar: Smartphones können ganz schöne Zeiträuber sein. Uns zwar ohne, dass wir das bemerken oder und schlecht fühlen. Im Gegenteil! Manche fühlen sich gerade dann schlecht, wenn sie nicht auf das Smartphone schauen können. Es ist die Angst, etwas zu verpassen, die viele zum ständigen Scrollen durch Facebook & Co. treibt. Psychologen und Verhaltensforscher kennen dieses neue Phänomen unter dem Akronym FoMO (Fear of Missing Out). Aber das nur am Rande, für diejenigen, die sich mehr mit der wissenschaftlichen Materie beschäftigen möchten.
So viel von meiner Seite. Ich verabschiede mich und Deniz betritt die Bühne. Vorhang auf!
Wer kennt es nicht?
Die Datenflut holt uns jeden Tag ein, Meldungen aus aller Welt, Todesopfer an jeder Ecke, die neuen Z-Promis und deren Beziehungen… Warum uns das den Verstand raubt und wie ich entkommen bin, zeige ich dir heute.
Täglich werden mehr Informationen produziert. Fast jeder von uns wird mit allerhand von diesen Informationen zugemüllt. Tag für Tag, Woche für Woche. Manchmal wusste ich nicht mehr, wo mir der Kopf steht.
Hier noch ein Instagram-Bild anschauen, da noch ein wenig auf Facebook scrollen, hier ein paar Neuigkeiten aus aller Welt. Am Abend schwirrten mir allerhand Gedanken durch den Kopf. Bilder vor meinem inneren Auge, die mich unruhig schlafen ließen.
Als ich an einem sonnigen Mittag mal wieder stundenlang auf Instagram scrollte und bemerkte wieviel Zeit dabei vollkommen sinnlos verging, kam mir der Gedanke mit all dem Zeugs aufzuhören.
Im gleichen Atemzug sperrte ich Internetseiten auf meinem Computer und dem Handy. Ich löschte sämtliche Apps, die mir Nachrichten lieferten und deaktivierte die Datenverbindung auf meinem Handy.
Selbstexperiment: Der kalte Digitalentzug
Jeden Tag griff ich obligatorisch zum Handy. Das zum Handy greifen war schon so tief in meinem Verhalten gespeichert, dass ich gar nicht darüber nachdachte. Ich fragte mich wieviel Lebenszeit durch die Sucht nach Informationen schon verloren ging. Ja, ich würde es in meinem Falle als Sucht bezeichnen. In vielen anderen Fällen auch. Die Abhängigkeit wird dir bewusst, wenn du diesen Versuch selber wagst.
Hast du dich schon einmal damit auseinandergesetzt, wieviel Informationen du am Tag aufnimmst? Wir lassen uns mitreißen von dem Strom, gar von der Flut.
Schöne “neue” Welt
Als ich mein Selbstexperiment durchführte, wurde ich mit den Tagen ruhiger, weniger abhängig von dem Blinken meines Handys. Ich fing an mehr Bücher zu lesen und meine Zeit mehr zu genießen. Ich fühlte mich freier, gelassener und ruhiger. Nach einer Woche vermisste ich es nicht mehr. Ich fing an in die Natur zu gehen. Machte Spaziergänge und merkte erstaunlicherweise: „Hey, dass wirkt ja unglaublich beruhigend.“ Früher war ich der Meinung, Spaziergänge sind nur etwas für Senioren und Frischverliebte, weit gefehlt.
Immer wieder überkam mich das Gefühl, ich würde etwas verpassen. Zu Anfang fühlt man sich gar, als wäre man von der Welt abgeschnitten. Doch ist das Internet wirklich der Zugang zu unserer Welt? Ich glaube wir haben ihn nur zu diesem gemacht.
Auf der Arbeit erfuhr ich in Gesprächen mit Kollegen alles Wichtige, was die Welt so zu bieten hatte. Anschläge, Wahlen, die neusten Beziehungsdramen, alles wurde einem beim Kaffeetrinken erzählt. Nicht einmal die Headlines der Zeitungen habe ich gelesen und trotzdem erfuhr ich, dass Brangelina sich getrennt hatten. Irgendwie musste ich zu diesem Zeitpunkt darüber lachen. Nicht, dass es nicht Schade für die beiden wäre, aber wie irrelevant diese Information für uns Menschen doch ist. Und doch redeten meine Kollegen über nichts anderes.
Persönliches Fazit
Auch heute versuche ich mich noch so gering wie möglich an Handy, Computer und Nachrichten zu binden.
Die Informationsdichte ist einerseits ein Segen für uns alle, mit der wir reich beschenkt wurden. Jederzeit ist alles abrufbar, in Sekundenschnelle. Wir können im Internet alles lernen, vom Alphabet bis zum Xylophon spielen. Die Pizza ist einen Knopfdruck entfernt und mittlerweile wird sogar das Gemüse vom Booten geliefert. Alle diese Neuerungen sind unglaublich bequem, schnell und jederzeit abrufbar.
Doch all das hat auch seine Kehrseite. Wir haben uns eine Informations- und Neuigkeitssüchtige Gesellschaft geschaffen. Nur noch einen Post, nur noch ein Bild, nur noch eine Neuigkeit. Das macht uns abhängig, nervös. Konversationen sind mit manchen Menschen kaum zu führen, da sie durchgehend am Handy kleben. Wenn sie einmal ihr Handy beiseitelegen, merkt man ihnen ihre Nervosität sichtlich an: Sie verhalten sich, als könnten sie etwas verpassen.
Neugierig? Probiere es doch einfach aus!
Ich persönliche habe das Gefühl, die Welt dreht sich immer schneller und auch aus diesem Grund verfallen wir der Sucht nach Informationen: Wir könnten etwas verpassen.
Aber hey! Wenn dich dieser Text dazu animieren konnte, für ein paar Tage ein Selbstexperiment durchzuführen und das Handy, den Computer links liegen zu lassen, wirst du merken: Soviel Wichtiges verpasst du überhaupt nicht.
Du findest hingegen etwas viel wertvolleres: Deine eigene Zeit. Zeit um deine Seele baumeln zu lassen, ein schönes Buch zu lesen oder gar ein wenig spazieren zu gehen. Möglicherweise findest du auch Zeit dich mit dir selbst zu beschäftigen. Setz dich doch einmal mit Themen auseinander, die du schon länger vor dich hergeschoben hast. Mit Dingen, die deinem Glück im Weg standen.
Seneca, ein Philosoph der vor 2000 Jahren gelebt hat, sagte so wunderschön in seinen Briefen in „Von der Kürze des Lebens“:
Es ist nicht wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist viel Zeit, die wir nicht nutzen. – Seneca
Mache etwas aus deiner Zeit und nehme dir das Recht heraus, abseits der Informationsflut zu entspannen. Einen Tag abseits der Social-Media Welt wird dich nicht direkt umbringen, keine Sorge.
In diesem Sinne: Suche dir die Informationen sorgfältig aus mit denen du dich umgibst.
Dein Deniz
Über den Gastautor
Auf seiner Platform Erschaffe Dich Neu schreibt Deniz Deke über Motivation und Inspiration. Er zeigt Möglichkeiten des persönlichen Wachstums auf und hilft seinen Lesern dabei, die eigenen Ziele zu erreichen. Deniz ist außerdem Autor des Buches Powergewohnheiten – Ihr Leben auf Erfolg, Energie und Glück ausrichten. Dieses Buch ist kostenlos für alle Newsletter-Abonennten.
2018: Das Projekt wurde eingestellt. Das Blog und das Buch sind nicht mehr verfügbar. Der Gastbeitrag ist aber weiterhin relevant, wenn nicht sogar noch mehr als bei Veröffentlichung.
Hey, guter Artikel mit wichtiger Message! 🙂 Eine Botschaft, die ich versuche mit meinem Digital-Detox-Blog in die Welt hinauszutragen. Deswegen danke ich Dir dafür, dass Du Deine positive Erfahrung teilst und den Menschen damit etwas den “Schrecken” vor einem Leben mit weniger Smartphone & Co. nimmst. Viele Grüße, Karo
Schöner Beitrag! Man sollte sich echt gut überlegen, welche Informationen relevant sind und einem gut tun. Hab im Urlaub auch schon oft mal Handy und Co weggelassen .
LG
Alina
Der Artikel hat mir sehr gut gefallen! Schön zu lesen!
Wirklich guter Artikel, der einen zu denken lässt… DANKE! Ich lege jetzt auch mal mein Handy für ne Zeit weg.