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Selbstvertrauen: Durch Schein zum Sein?

23. Juli 2015 by Jonas 4 Comments

Leute mit hohem Selbstvertrauen neigen zu besserer Leistungsbereitschaft. Sie scheinen mehr gebacken zu bekommen und sie sind im Vergleich zu ihren Mitmenschen erfolgreicher in dem, was sie tun. Doch was ist, wenn man kein großes Selbstbewusstsein hat?

Fake it till you make it! So lautet ein weit verbreiteter Ratschlag, den man in der englischsprachigen Gründerszene  am laufenden Band hören kann. Übersetzt heißt das etwa so viel wie: Tue so, als ob du gut in etwas wärst, bis du es wirklich wirst. Oder: Mit gespieltem Selbstvertrauen zu echtem Selbstvertrauen. Durch Schein zum Sein.

Was ist dran an diesem Rat, den Investoren jungen Unternehmensgründern nennen? Heiße Luft wie die vorgegaukelte Expertise selbst? Oder steckt da vielleicht doch etwas dahinter? Betrachten wir das Motto mal durch die psychologische Brille. Ein Fallbeispiel und zwei Studien.

Was das Motto verspricht

Oft gehört – selten richtig verstanden. Die eigentliche Aussage des Mottos ist: Gehe selbstbewusst an neue Herausforderungen ran. Mach’ dir keine Sorgen, du hast schon viel in deinem Leben erreicht und das schaffst du ebenfalls. Falls es dir noch an Erfahrung fehlt, dann verhalte dich einfach professionell und habe Vertrauen in dich. Wie ein Experte, der das alles schon jahrelang macht. Deinem Gegenüber wird es nicht auffallen. Er werden dir vertrauen, dir eine Chance geben und schließlich wirst du es werden: Experte.

Klingt ganz schön fantastisch und zu einfach, als dass dieser Plan keine Lücken haben könnte. Steve Tobak schreibt in seinem Beitrag für das Online-Magazin Entrepreneur über die Leute, die diesem Rat blind folgen. Er spricht von Blendern, die das meiste was sie sagen erfinden oder zumindest maßlos übertreiben. Von Möchtegern-Autoren, die irgendwelche erdichteten Verkaufslisten anführen. Von angeblichen Profiathleten, die noch nie an einem anerkannten Wettbewerb teilgenommen haben.

You’d be surprised to know how much of what people say about themselves is either embellished or complete fiction, especially among the entrepreneurial crowd.

Wer seine Leistungen ein bisschen beschönigt, fällt noch nicht in diese Kategorie. Für Tobak ist aber eines klar: Wer nur so tut als ob, den holt irgendwann die bittere Realität ein. Tief im Inneren weiß der Täuschende, dass er nicht der ist, den er vorgibt zu sein. Und genau dieses Bewusstsein frisst ihn irgendwann auf. Das wahnsinnige Ego bricht zusammen. Angst und Hilflosigkeit bleiben übrig.

Fake it till you make it – Eine tickende Zeitbombe? Ein Ratschlag, der erst auf den Holzweg und dann in die Sackgasse führt? Oder könnte sich vielleicht doch etwas Handfestes dahinter verbergen?

Ein Beispiel: Ann Smarty

Ann SmartyDie Ukrainerin Ann Smarty arbeitet gerade in der Online Marketing Abteilung, als sie schwanger wurde. Schwangerschaft und Beruf unter einen Hut zu bekommen, ist immer schwer. Doch ihr Fall sollte noch komplizierter werden. Innerhalb der ersten Monate ihrer Schwangerschaft ging die Firma, in der sie arbeitet, bankrott. Sie wurde arbeitslos. Außerdem stand sie einem großen Berg an Schulden gegenüber, entstanden durch den Wunsch, der jungen Familie ein neues Zuhause zu bieten. Die vermeintliche Sicherheit des Angestelltenverhältnisses schlug vom einen auf den anderen Tag um in erdrückende Ungewissheit.

In der damaligen Wirtschaftslage war es nicht einfach. Ich brauchte etwas mit passenden Arbeitsstunden. Außerdem musste ich jemanden finden, der Frauen einstellt, die in weniger ls einem Jahr in Mutterschutz gehen. – Ann Smarty

Was tun? Anns Möglichkeiten waren sehr eingeschränkt. Den Gedanken, bald eine neue Anstellung zu bekommen, gab sie auf. Stattdessen gründete sie ihr eigenes Beratungsunternehmen. Das Thema Suchmaschinenoptimierung war in der Ukraine im Vergleich zum englischsprachigen Raum noch sehr jung, allerdings hatte sie bereits durch ihren vorherigen Job Erfahrung in diesem Gebiet sammeln können. Der Markt wuchs stetig. Allerdings stellte sie schnell fest, dass ihr Wissen für einen Expertenstatus nicht ausreichen würde. Wie sollte sie also an Aufträge kommen? Fake it till you make it!

Das war mein erster Schritt des So-tun-als-ob: Nun dachte jeder, der mich sah, ich wäre wahrscheinlich SEO-smart.

Sie startet einen Blog namens SEO Smarty, dessen Name allein Expertise suggeriert. Mit kostenloser Arbeit begann sie zunächst sich eine gute Reputation aufzubauen. Für einen Blogpost musste sie teilweise mehrere Tage recherchieren – so dünn war ihr Wissen zu dieser Zeit! Aber genau dadurch lernte sie am meisten. Durch ihren Fleiß und dank ihrer schnellen Aufnahmefähigkeit und Lernbereitschaft wurde sie erfolgreich. Mittlerweile gilt Ann Smarty als Experte im Bereich Online Marketing und Suchmaschinenoptimierung. Sie lebt mittlerweile in New York, hat verschiedene Dienstleistungsunternehmen gegründet und arbeitet aktuell für die renommierten Internet Marketing Ninjas. Die Geschichte von Ann kann man hier im Original nachlesen.

Die Psychologie dahinter

Na schön, hinterher kann man immer viel behaupten. Aber was sagt die Verhaltensforschung zu diesem Motto? Ist es wirklich wahr, dass sich aus einem So-tun-als-ob ein tatsächliches Können einstellen kann? Können wir uns selbst so manipulieren, dass gespieltes Selbstvertrauen in echtes umschlägt?

Psychotherapeuten bedienen sich diesem Motto in abgewandelter Form. Sie sagen zu Patienten, die unter leichter Depression leiden: Versuche, aufrecht und freudig durch die Welt zu gehen. Dieser Ratschlag scheint naiv, schließlich ist Depression eine Krankheit, die ernst genommen und behandelt werden muss. Allerdings ist dieses So-tun-als-ob Teil einer Behandlung. Aus etwas Gespielten kann sich tatsächlich etwas Wirkliches ergeben, wie die folgenden zwei Studien zeigen.

Studie 1: Lächeln macht glücklich

Wenn wir glücklich sind, dann grinsen wir über beide Ohren. Doch gilt auch die Umkehrung? Mehrere Untersuchungen scheinen das zu bestätigen: Ein erzwungenes Lächeln führt dazu, dass wir uns besser fühlen. Der berühmte Nobelpreisträger Daniel Kahneman, der in diesem Blog schon ein paar mal vorkam (Endowment-Effekt, Ego-Depletion), sagt dazu Folgendes:

Reziproke Verknüpfungen sind in dem assoziativen Netzwerk weit verbreitet. So lächeln Sie im Allgemeinen, wenn Sie vergnügt sind, und wenn sie lächeln, erheitert Sie das.” – Kahneman: Schnelles Denken, langsames Denken

Body-Posture-PsychologyEine Untersuchung von College-Studenten kam zu einem äußerst interessanten Befund. Die Studenten, die dazu aufgefordert wurden, einen Bleistift quer in den Mund zu stecken und die somit zum Lächeln gezwungen waren, fanden unterhaltsame Cartoons lustiger. Eine andere Gruppe brachte man über einen ähnlichen Weg zum Stirnrunzeln. Eine Geste, die eher Negatives wie Zweifel oder Ablehnung ausdrückt. Die Probanden in dieser Gruppe fanden die Zeichnungen weniger unterhaltsam.

Die Forscher folgerten, dass weitverbreitete Gesten wie Lächeln oder Stirnrunzeln einen unbewussten Einfluss auf unsere Gedanken und Gefühle haben.

Studie 2: Einfluss der Stimmungslage auf unsere intuitive Leistungen

Eine andere Studie kam zu dem Ergebnis, dass unsere Körperhaltung und die Art, wie wir uns bewegen,  einen Einfluss auf unsere aktuelle Gefühlslage hat. Und unsere Stimmung wiederum beeinflusst unser Leistungsvermögen.

glueckliche-studenten-schneiden-besser-ab-examen

In einem 2003 veröffentlichten Paper stellen Forscher der Universität Braunschweig ihre faszinierenden Ergebnisse vor: Die Treffgenauigkeit bei intuitiven Urteilen verdoppelt sich, wenn die Testperson in guter Stimmung ist. Niedergeschlagene Probanden hingegen versagen bei intuitiven Aufgaben. Allerdings gilt auch, dass sich mit einem hohen Maß an Freude auch die Leichtsinnigkeit einstellt. Zwar steigt die Treffgenauigkeit bei intuitiven Urteilen, nicht aber bei analytischen Aufgaben.

Fazit

Wie in schon vielen anderen Beiträgen über Psychologie gilt auch hier: Mind over Matter. Wir haben gewisse Möglichkeiten, unsere Stimmung und Wahrnehmung in eine gewünschte Richtung hin zu manipulieren. Das Motto Fake it till you make it fällt ganz klar in diese Kategorie.

Allerdings sollte man vorsichtig sein. Ann Smartys Strategie ging nur deshalb auf, weil sie hart gearbeitet hat und jeden Tag ihr Wissen im Bereich Suchmaschinenoptimierung erweitert hat. Nur durch Arbeit schafft man den Schritt vom Schein zum Sein. Und da möchte man ja schließlich hin. Blender und Betrüger sind nie erfolgreich, zumindest nicht langfristig. Ein professionelles Auftreten steigert nicht bloß das Selbstvertrauen, sondern auch das, welches andere uns entgegenbringen. Man muss aber die Grenzen kennen.

Abschließend noch zwei Frage an euch:
  • Was haltet ihr von dem Motto?
  • Habt ihr bereits Erfahrungen gemacht, die ihr mit den anderen Lesern teilen wollt?

Ich bin gespannt darauf, von euch zu hören!

Jonas

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Filed Under: Karriere, Persönlichkeitsentwicklung, Psychologie Tagged With: Ann Smarty, Daniel Kahneman, Gründerszene, Psychologie im Alltag, Selbstbewusstsein, Selbstvertrauen

Comments

  1. jan says

    26. Juli 2015 at 15:17

    Hallo Jonas,

    das war mal wieder ein sehr guter Artikel. Danke!

    Auf einem Fachgebiet wie der Suchmaschinenoptimierung finde ich den Ansatz “fake it till you make it” schon in Ordnung, jedenfalls dann, wenn man – wie Ann Smarty – gut recherchiert bevor man Ratschläge gibt. SEO scheint mir nicht besonders kompliziert zu sein, so dass man sich relativ schnell einarbeiten kann. Im medizinischen Bereich etwa wäre der Ansatz aber völlig unangebracht.

    Den Kunden gegenüber wäre es vermutlich dennoch am fairsten, wenn man mit offenen Karten spielt und seinen Service vielleicht erstmal unentgeltlich anbietet bis man erste Erfahrungen gemacht hat. Ich persönlich möchte keine Dienstleistung von jemandem in Anspruch nehmen, der seine Kompetenz nur “spielt”, wäre aber bereit, mir helfen zu lassen wenn mit offenen Karten gespielt wird.

    Natürlich ist ein Experte mit Halbwissen besser als jemand ohne Wissen. Wenn also nur diese Beiden verfügbar sind, dann ist der Experte mit Halbwissen klar die beste Wahl. Insbesondere online gibt es heutzutage aber dermassen viele selbsternannte Experten (die Hälfte davon haben wir wahrscheinlich Tim Ferris zu verdanken), so dass Experten mit Halbwissen global gesehen eher schaden als nutzen.

    Viele Grüße
    Jan

    Antworten
    • Jonas says

      27. Juli 2015 at 09:46

      Hallo Jan,

      was du sagst deckt sich mit meiner Meinung. Das Motto eignet sich für manche Berufe und Tätigkeiten besser als für andere.
      Tim Ferris in allen Ehren, aber das Nervige ist ja tatsächlich, dass eine ganze Welle an neuen selbsternannten Experten auf uns zukommt, die Tims Rat blind folgen. Die Finanziers haben jetzt schon die Schnauze voll von dieser neuen Generation an Gründern, wie man aus diversen Tech-Podcast und Investoreninterviews aus dem Silicon Valley hören kann.

      Liebe Grüße
      Jonas

      Antworten
  2. Todd Allington says

    28. Dezember 2016 at 09:56

    Lieber Jonas,

    mit großer Freude habe ich Deinen Artikel gelesen und stimme in den meisten Punkten überein. Die Dame hat sich dazu noch ein Umfeld gesucht, in dem sie wirklich langfristig als Fachfrau gelten konnte. So weit kommen viele, die mit dieser Einstellung leben gar nicht. In den letzten Jahren habe ich mich sehr mit diesem Motto beschäftigt, da ich als Personalverantwortlicher in großen Konzernen auf auf diese spezielle Spezies Mensch traf. Ich nennen sie Industrieschauspieler. Darüber habe ich sogar ein ganzes Buch mit genau diesem Titel geschrieben. Ein Handbuch für Industrieschauspieler. (https://www.amazon.de/dp/395912192X/ref=cm_sw_r_tw_dp_x_V03yybR0T3BDQ). Ich bin fest davon überzeugt, dass ein guter Industrieschauspieler in der richtigen Branche mit diesem Motto für eine gewisse Zeit erfolgreich sein kann und habe es mehrfach in meiner beruflichen Karriere bemerken können.

    Leonardo DaVinci hat es bereits treffend formuliert “Wer nicht kann was er will, muss wollen was er kann.” Wem das Schauspielerische mehr als das Fachliche liegt, kann mit diesem Credo sehr erfolgreich sein.

    Feine Grüsse

    Dein Todd Allington

    Antworten
    • Jonas says

      31. Dezember 2016 at 14:29

      Hallo Todd,

      klingt wirklich interessant! Mir gefällt die Metapher des Industrieschauspielers! Viel Erfolg mit weiteren Buchprojekten in Zukunft.

      Grüße
      Jonas

      Antworten

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Über den Autor

Jonas Schröder ist Freizeit-Autor und notorischer Autodidakt, ein Generalist und interdisziplinär veranlagt. Sein Motto ist: Love it, change it or leave it. Und dann noch so eine Mischung aus Toyota und Nike: Nichts ist unmöglich. Mach es einfach! Er hat Philosophie und Betriebswirtschaftslehre an der Universität Mannheim studiert. Aktuell macht er den Master in Management an der Business School in Mannheim. Mehr über den Blog

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