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Der Spotlight-Effekt

12. August 2015 by Jonas 7 Comments

Das Licht geht an, der Vorhang zieht auf. Eine berühmte Sängerin steht auf der Bühne. Nicht bloß die Scheinwerfen,sondern auch die gesamte Aufmerksamkeit des Publikums ist auf sie gerichtet. Das Gefühl, das sie in diesem Moment haben muss, kennen wir in zumindest abgeschwächter Form. Zum Beispiel  früher, als wir in der Schule ein Referat halten mussten.

Schon mal eine Rede gehalten? Nichts ist in diesem Moment präsenter als die Angst, sich zu verhaspeln. Eine selbsterfüllende Prophezeiung: Kaum daran gedacht, schon hat man ein Wort falsch ausgesprochen. Aber haben es die anderen überhaupt bemerkt?

Allein die Vorstellung, vor Augen der versammelten Mannschaft einen Fehler zu machen – mag er auch noch so klein und unwichtig sein – versetzt uns in schiere Panik.

Diese Sorge haben wir aber nicht bloß, wenn wir eine Rede halten müssen. Manche Menschen leiden selbst bei freundlichen Zusammenkünften darunter, zum Beispiel auf Geburtstagen oder Klassentreffen. Das kann ein Hinweis darauf sein, dass man unter einer sozialen Phobie leidet.

Das Gefühl, im Rampenlicht zu stehen

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Wie schon bereits in meinem anderen Beitrag über soziale Angst gesagt: Soziale Phobien sind zwar weit verbreitet, aber nicht jedes Druckempfinden bei sozialen Versammlungen heißt gleich, dass man unter einer mentalen Krankheit leidet.

Gestern war ein Konzert in meiner Nähe, aber weil Montag war, konnte ich keine Begleitung finden. Alle mussten entweder arbeiten, lernen oder hatten einfach keine Lust auf diese Art von Musik. Trotzdem wollte ich mir die Veranstaltung nicht entgehen lassen. Also ging ich alleine hin.

Es ist schon ein komisches Gefühl, wenn man irgendwo unter Fremden ist. Weit und breit kein bekanntes Gesicht. Schon mal früher als deine Freunde auf einer Party aufgetaucht? Auf der Geburtstagsfeier deines entfernten Cousins gewesen? All das sind Situationen, in denen man sich irgendwie so fühlt, als würden alle anderen einen beobachten und sagen: Was will der denn hier?

Die Psychologen haben einen Namen für dieses Gefühl, vermeintlich im Rampenlicht zu stehen: Spotlight-Effekt. Wir glauben mitten im Scheinwerferlicht zu stehen, und zwar nicht im erwünschten Sinne wie die berühmte Sängerin, von der anfangs die Rede war. Eher auf eine negative Art, als Fremdkörper bei einer Versammlung von Gleichgesinnten, die sich gegen einen zu verschwören scheinen.

Aber woher kommt dieses Gefühl?

Ursache: Verwechseln von Perspektiven

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Der Effekt ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass wir vergessen die Perspektive zu wechseln. Akribisch achten wir darauf, wie wir uns in der Öffentlichkeit verhalten und was wir tun. Das ist die egozentrische Perspektive, der Normalzustand. So viel Aufmerksamkeit wollen und können die anderen uns gar nicht entgegenbringen. Sie sehen uns und unser Verhalten auf eine andere Weise, nämlich aus einer distanzierten Perspektive.

Da wir vergessen, die Perspektive zu wechseln, glauben wir, dass die restliche Welt uns ebenso kleinlich beobachtet, was natürlich nicht der Fall ist. Der kleine Versprecher? Vermutlich gar nicht aufgefallen. Und selbst wenn: unbedeutend!

Kleine Unannehmlichkeiten sind uns zwar bewusst, aber das heißt nicht, dass die Umwelt auch davon weiß. Schließlich betrachten sie uns aus einer anderen Perspektive, schenken uns bedeutend weniger Aufmerksamkeit als wir uns selbst.

Lehre für den Alltag

Wir überschätzen systematisch die Aufmerksamkeit, welche die Umwelt uns vermeintlich entgegenbringt. Das hat zur Folge, dass wir uns selbst einem zu starken Druck aussetzen: Ja nicht negativ auffallen! Bloß keinen Fehler machen!

Der Spotlight-Effekt lässt unser Selbstvertrauen sinken. Oftmals entstehen genau dadurch erst die (kleinen) Fehler, vor denen wir uns so sehr sorgen. Das nächste Mal, wenn wir uns in einer solchen Situation befinden, die uns so vorkommt, als schaue die ganze Welt auf uns, dann kann es hilfreich sein, tief durchzuatmen und zu sagen: “Aha! Spotlight-Effekt!”

Die Moral der Geschichte ist, dass die Leute Ihnen weniger Aufmerksamkeit schenken, als Sie glauben. Wenn Sie einen Fleck auf Ihrem T-Shirt haben, machen Sie sich keine Sorgen – wahrscheinlich wird es niemand bemerken – Richard H. Thaler, Ökonom und Autor (z.B. Nudge – Wie man kluge Entscheidungen anstößt)

Zu wissen, dass unsere egozentrische Perspektive uns übertriebene Aufmerksamkeit vorgaukelt, kann den Effekt abschwächen. Wir empfinden weniger Druck und die Wahrscheinlichkeit, Fehler aus Angst zu machen, sinkt. Probiere es das nächste Mal doch einfach aus.

Lasse mich wissen, was deine Erfahrung mit solchen Situationen ist.

Ich freue mich auf die Kommentare,

Jonas

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Filed Under: Psychologie Tagged With: Aufmerksamkeit, Psychologie im Alltag, Rampenlicht, Selbstbewusstsein, Selbstvertrauen, Spotlight-Effekt

Comments

  1. Jan says

    13. August 2015 at 19:04

    Hallo Jonas,

    mittlerweile ist es bei mir nicht mehr so schlimm (vielleicht weil ich den Spotlight-Effekt schon kenne), aber noch vor ein paar Jahren und definitiv zu meiner Schulzeit hätte mir dein Artikel ordentlich die Augen geöffnet und mein Leben verbessert. Damals fühlte ich mich wegen jeder Kleinigkeit beobachtet. Sobald ich einen neuen Pullower oder eine neue Jacke hatte, bildete ich mir ein, dass meine Mitschüler mich deswegen insgeheim bewerten würden. Mein erstes richtiges Fahrrad mit 12 Jahren war mir peinlich weil das Vorderlicht eine komische Form hatte und ich mir einbildete, dass das jedem auffallen würde wenn ich damit fahre. Aus heutiger Sicht ziemlich lächerlich. Damals habe ich mich von solchen Gedanken aber ziemlich einschränken lassen.

    Gruß Jan

    Antworten
    • Jonas says

      16. August 2015 at 09:48

      Hallo Jan,

      solche Geschichten aus der Schulzeit kenne ich auch noch gut. Ich glaube, dass man gerade in diesem Lebensabschnitt besonders darauf achtet, was die anderen von einem halten. Schließlich will keiner der komische Außenseiter sein, über den die coolen Jungs und Mädchen gemeinschaftlich lachen.

      Schön, dass es nun anders bei dir ist.

      Jonas

      Antworten
  2. Jason says

    14. August 2015 at 17:23

    Hey Jonas,

    gutes Thema, das du da ansprichst.

    Kenne das auch sehr gut von mir selbst.

    Kleines Beispiel:
    Ich saß heute mit pinken Kopfhörern im Ohr im Bus.
    Zuerst habe ich mir gedacht “Die werden mich doch alle doof angucken.”

    Nach ein paar Minuten habe ich gemerkt
    “Ey, das interessiert eigentlich fast gar keinen. Und die, die es bemerken, haben es nach ein paar Momenten schon weider vergessen.”

    Das hat mir mal wieder gezeigt, wie sehr wir überschätzen, welches Maß an Aufmerksamkeit und Interesse uns andere Menschen geben.

    Wie du schon gesagt hast, müssen wir aus dieser egozentrischen Perspektive rauskommen, bemerken, dass sich andere Leute so gut wie gar nicht für uns interessieren und dies am besten durch Erfahrungswerte untermauern.

    LG
    Jason

    Antworten

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Über den Autor

Jonas Schröder ist Freizeit-Autor und notorischer Autodidakt, ein Generalist und interdisziplinär veranlagt. Sein Motto ist: Love it, change it or leave it. Und dann noch so eine Mischung aus Toyota und Nike: Nichts ist unmöglich. Mach es einfach! Er hat Philosophie und Betriebswirtschaftslehre an der Universität Mannheim studiert. Aktuell macht er den Master in Management an der Business School in Mannheim. Mehr über den Blog

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