
Sie gehört zu den am weitesten verbreiteten mentalen Krankheiten: Die Soziale Angst. Man kann sie sich in etwa so vorstellen wie eine starke Schüchternheit. Sie ist aber mehr. Menschen, die unter einer sozialen Phobie leiden, fürchten gesellschaftliche Zusammenkünfte, z.B. Familientreffen oder öffentliche Versammlungen. Manchmal ist ein solches Treffen aber unausweichlich, das wissen auch die Betroffen. Finden sie sich in einer solchen Situation wieder, dann scheuen sie es, im Mittelpunkt zu stehen, werden schnell nervös und haben nicht selten rote Backen. Schnell auf das Handgelenk geschaut: Wie lange dauert das hier noch?
Die Angst vor Öffentlichkeit
Wirklich handfeste Zahlen gibt es nicht, aber man schätzt, dass etwa sieben bis zehn Prozent der Menschen unter sozialen Ängsten in irgendeiner Form leiden. Manche mehr, manche noch mehr. Andere wiederum fast unmerklich.
Versuche mal, dich an die letzte Situation zu erinnern, in der du Teil einer größeren Versammlung warst. Wie hast du dich gefühlt? Wie ging es dir an deinem letzten Geburtstag? Wenn du eine Person bist, die gerne im Mittelpunkt steht, dann genießt du sicherlich diesen Tag besonders. Alle Augen auf dich gerichtet. Alle tun, was du wünschst.
Aus Erfahrung weißt du sicherlich, dass es den meisten Menschen eher unangenehm ist, im Mittelpunkt stehen zu müssen. Man fühlt, dass die Gäste etwas erwarten. Ein gewisses Druckempfinden macht sich breit. Witzig sollen wir sein, auf Knopfdruck. Das kann ja nur schiefgehen. Meistens in Form eines Schenkelklopfers, gefolgt von komischen Blicken der Gäste und vereinzelt höflichem Lachen.
Wiedererkannt? Die meisten von uns leiden zwar nicht unter einer sozialen Phobie, aber ein gewisses Gefühl von Peinlichkeit und Scham trifft in solchen Situation nicht selten auch uns. Besonders wenn wir unsere Komfortzone überschreiten. Manchmal stehen wir zwar gar nicht im Mittelpunkt, fühlen uns aber trotzdem zu. Die Psychologen nennen das Spotlight-Effekt.
Was man dagegen tun kann
Wie gesagt: Die meisten uns leiden nicht unter sozialen Ängsten, kennen aber die Symptome aus persönlicher Erfahrung in abgeschwächter Form. Da fragt man sich, was man dagegen tun kann. Für gewöhnlich lautet die Antwort schlicht: Trau dich, denke nicht so viel nach und erweitere deine Komfortzone.
Nun klingt es allerdings etwas arrogant, wenn man diesen Vorschlag den Leuten macht, die tatsächlich unter der psychischen Krankheit namens soziale Angst leiden. Hab dich nicht so, springe über deinen Schatten. Trau dich!
Interessanterweise kann genau dieser Ratschlag aber Teil der Therapie. Immerhin gilt: Je höher das Selbstvertrauen desto geringer die Angst vor gesellschaftlichen Zusammenkünften. Erst vor wenigen Tagen hat Psychology Today die Frage gestellt: Can Improv Comedy Treat Social Anxiety ?
Das Improvisations-Theater (kurz: Improtheater) ist eine künstlerische Form des öffentlichen Auftretens, die sich wachsender Beliebtheit erfreut. Amerikanische Comedian wie Steve Carell und Tina Fey entsprangen dieser Kunstform.
Freiwillige aus dem Publikum gehen auf die Bühne, während der Rest ein Thema festlegt, zum Beispiel: Polizist verhört Verdächtigen. Das ist alles, was den beiden Schauspielern vorgegeben ist – den Rest müssen sie zusammen durch Improvisation entwickeln.
Das Ergebnis ist für die Zuschauer äußerst unterhaltsam. Man weiß nie, was als nächstes passiert, und dadurch, dass der Zuschauer als Themenwähler oder Schauspieler aktiv einbezogen wird, ist das Improtheater die kurzweiligste Bühnenshow die ich kenne.
Aber jeder, der schon mal auf einer solchen Bühne stand, weiß wie unangenehm es sein kann. Zumindest am Anfang. Man empfindet einen sozialen Druck. Die Wärme des Scheinwerferlichts macht es da auch nicht gerade angenehmer.
Was einem gerade beim Improv hilft, über den Schatten zu springen, ist der respektable Umgang und die Offenheit des Publikums. Davon lebt das Improtheater. Fehler passieren, sind allgegenwärtig. Keiner kann von einem Laien ernsthaft erwarten, dass er eine Standup-Show aufführen kann. Wenn einem gerade nichts einfällt, dann kommt meist die andere Person mit einer Vorlage zur Hilfe. Man unterstützt sich gegenseitig. Der Spaß für alle steht im Mittelpunkt.
Das überzeugt auch Therapeuten:
- Die ständige Konfrontation mit Fehlern schwächt die Angst.
- Sie lehrt dem Betroffenen außerdem einen guten Umgang mit dem Gefühl, im Mittelpunkt zu stehen.
- Man lernt, dass die anderen einem gar nichts Übles wollen; dass sie selbst auch gelegentlich in dieser Situation sind.
Allerdings, auch darauf weißt der Psychology Today Artikel hin, sollte das Improtheater nicht als Ersatz für eine professionelle Therapie gesehen werden, sondern lediglich als mögliche Ergänzung dazu.
Also: Ist es dir oft unangenehm, bei sozialen Zusammenkünften im Mittelpunkt zu stehen, dann empfehle ich dir den Besuch eines Improtheaters. Es ist eine der spaßigsten Arten die Komfortzone zu erweitern.
[…] auf Geburtstagen oder Klassentreffen. Das kann ein Hinweis darauf sein, dass man unter einer sozialen Phobie […]