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Dress for Success?

8. Februar 2015 by Jonas 4 Comments

Letzten Freitag habe ich meine letzte Klausuren in Warschau geschrieben, beide in Recht. Da die Busfahrt innerhalb von Warschau in der Morgenzeit besonders kritisch ist, habe ich mich extra früh auf den Weg gemacht. Ich wollte auf keinen Fall zu spät kommen!

Eine Stunde früher als geplant erreichte ich den Campus und hatte so genügend Zeit, um mir einen Kaffee und einen kleinen Snack zu holen. Auf meinem Spaziergang durch die Korridore der Universität sah ich dutzende junger Männer in Anzügen. War hier eine Konferenz, von der ich nicht wusste? Was habe ich verpasst? Warum sind die Leute hier so gut gekleidet?

Ich lief also weiter und schlürfte meinen billigen Automatenkaffee, als ich plötzlich einen polnischen Freund sah – ebenfalls im Anzug. Mit allem drum und dran. Ich unterhielt mich mit ihm und konnte es nicht lassen, ihn zu fragen, was es mit dem Anzug auf sich hat.

Ob er danach ein Bewerbungsgespräch hätte oder es einen festlichen Anlass gäbe?

Nein, meinte er. Es sei eine Sache des Respekts der Aufgabe gegenüber. Immerhin schließt man mit den Examen ja ein Semester ab.

Ich fand das ziemlich interessant, zumal er bei weitem nicht der Einzige war. Auch die Mädchen kleideten sich überdurchschnittlich gut und elegant. Ich fühlte mich in meinem Pullover fast underdressed.

Kleider machen Leute

Gedankennahrung: clothes-make-the-man-mark-twain

Wer wurde im Deutschunterricht nicht gezwungen, diese berühmte Novelle des Schweizer Dichters Gottfried Keller zu lesen? Mir jedenfalls blieb nur der Titel im Gedächtnis.

Kleider machen Leute.

Oder wie der Amerikaner sagt: Dress for Success.

Kleide dich für den Erfolg und werde erfolgreich.

Irgendwie musste ich daran denken, dass diese Strategie vielleicht gar nicht so schlecht ist. Besonders, wenn man nicht gut vorbereitet in eine mündliche Prüfung geht. Ohne jetzt irgendjemanden etwas unterstellen zu wollen!

Mein Kaffee war mittlerweile halb leer, was bedeutet, dass ich am unteren Teil angelangt war. Jeder Instantkaffee-aus-dem-Automaten-Liebhaber kennt das. Das ist der Teil, der besonders komisch, dafür aber überzuckert ist. Aber das war mir egal. Meine Gedankenströme kreisten sich nur um die Frage, ob was dran ist an diesem alten Ratschlag.

Determiniert oder beeinflusst unsere Kleidung unser Tun?

Oder ist es nur die Wahrnehmung des Gegenübers?

Das sind die beiden Möglichkeiten, die mir sofort in den Sinn kamen. Soll heißen:

  • Wenn wir uns kleiden wie erfolgreiche Menschen, dann verhalten wir uns auch so. Unser Selbstbewusstsein steigt und somit auch unsere Leistung.

Oder:

  • Wenn wir uns kleiden wie erfolgreiche Menschen, dann nehmen uns die anderen unterbewusst als solche wahr. Sie adressieren gewisse Attribute an uns wie souverän, gebildet und gut vorbereitet. Sie bewerten uns anders und zwar zu unseren Gunsten.

Eine empirische Untersuchung

jfk-debattiert

Gedankennahrung wäre nicht Gedankennahrung – und ich nicht ich – wenn es bei bloßer Spekulation bleiben würde. Was ist also dran an der Idee des Power-Dressings? Auf Amazon befinden sich schließlich über Eintausend Ratgeber zum Thema Kleidung für Erfolg.

Nun bin ich aber kein Modeexperte, möchte auch keiner sein, und bevorzuge das Lesen von wissenschaftlichen Papers.

Ich suchte und wurde fündig!

Ein Paper von 1987 mit dem Namen “The Effect of Attire on Forensic Competitors and Judges: Does Clothing Make a Difference?” kommt zu dem Ergebnis, dass unser Kleidungsstil durchaus eine Auswirkung auf unsere wahrgenommene Performance hat.

Die Gruppe der Befragten ist allerdings keinesfalls repräsentativ. In der Studie geht es um Teilnehmer eines Debattierwettbewerbs, die in Konkurrenz zueinander stehen. Die Mehrzahl der Befragten, sowohl weiblich als auch männlich, glauben, dass ihre Kleidung eine Auswirkung auf ihre Leistung hat.

In der Studie wurden neben den Teilnehmern auch die Richter befragt, die entschieden, wer ein Wortgefecht gewonnen hat. Zwar mache es einen Unterschied für die Performance der Wettbewerber, welche Kleidung der Richter trägt. Die Richter selbst hingegen sehen keinen sonderlich großen Zusammenhang zwischen dem Kleidungsstil der Debattierenden und deren Leistung.

Die Psychologie dahinter

Was könnte der Grund dafür sein, dass so viele Leute glauben, ihre Kleidung habe eine Auswirkung auf die Leistung? Die vorgestellte Studie ist zwar schon etwas älter, sie verweist aber bereits auf eine Reihe von interessanten Erkenntnissen.

Kleidung ist wie die Körperhaltung ein non-verbales Kommunikationsmittel, das dem Gegenüber etwas signalisiert, z.B.: “Diese Prüfung bzw. Situation ist mir wichtig. Ich nehme sie und dich ernst.”

Andere Studien und Untersuchungen zeigten:

  • Die Kleidung und das Erscheinungsbild spielt eine große Rolle für den ersten Eindruck
  • Es existiert eine Verbindung zwischen der Wahl der Kleidung und der eigenen Personalität
  • Leuten mit ähnlichem Kleidungsstil sind einem sympathischer.
  • Der Kleidungsstil hat eine Auswirkung auf die wahrgenommene Glaubwürdigkeit

Aber von all dem mal abgesehen. Es macht einfach Spaß gut gekleidet zu sein. Ob das nun eine maßgebliche Auswirkung auf unsere Leistung hat, sei mal dahingestellt.

Es signalisiert aber garantiert dem Gegenüber eine gewisse Ernsthaftigkeit. Jogginghosen in der Öffentlichkeit ist nicht gerade ein Augenschmaus oder Kompliment an die Gesellschaft.

Schlusswort

Ich fand es jedenfalls interessant, dass manche Polen im Anzug ihre Prüfungen absolvieren. In Deutschland habe ich das noch nicht gesehen, wenn auch die BWLer Erstis in Mannheim öfters mal besonders overdressed durch die Flure marschieren. Wolf of Wall Street lässt grüßen.

Falls du deine Prüfung noch nicht um hast, wünsche ich dir viel Erfolg! Schau doch mal hier vorbei, falls du Tipps brauchst, wie du die Prüfungsphase gut überstehst.

Liebe Grüße

Jonas

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Filed Under: Karriere, Psychologie Tagged With: Anzug, Bewerbungsgespräch, Business Look, Dress for Success, Erfolg, Karriere, Kleider machen Leute, Psychologie im Alltag

Comments

  1. Richard says

    4. Juni 2015 at 00:06

    Hallo Jonas,

    gerade eben bin ich durch Deinen Kommentar auf der Website von Julian Nöll auf Deinen Blog gestoßen. Dein Blogthema halte ich für sehr interessant, auch ich studiere BWL und interessiere mich für ähnliche Themen wie Du, insbesondere Finanzen, Entrepreneurship und Innovation.

    Der Anlass für diesen Kommentar war aber Dein Auslandssemester in Warschau. Denn auch ich habe zufällig ein Semester in Polen verbracht, in Krakau. In erster Linie habe ich dort die polnische Sprache gelernt. Więc po polsku – ja studiowalem jeden semester w Krakowie, tam uczyłem się języka polskiego.

    Wie kamst Du auf die Idee, gerade nach Polen zu gehen?

    Antworten
    • Jonas says

      16. Juni 2015 at 13:55

      Hallo Richard,

      Krakau habe ich auch ein Wochenende lang besucht. Eine ganz andere Stadt als Warschau, beides aber sehr schön anzusehen. Polnisch sprechen kann ich allerdings nicht.

      Liebe Grüße
      Jonas

      Antworten
  2. Gaby Engelbart says

    3. Juli 2016 at 13:58

    Hallo Jonas,Vielen Dank für den interessanten Artikel. In der Wirtschaftswoche vom 19. Juni 2016 gab es auch zum Thema Erfolg einige Beiträge: http://weiter-lesen.net/1937/deinen-erfolg-sichern/ Meiner Meinung nach gehört zum Erfolg, Dinge zu tun, die einem liegen, die man idealerweise sogar liebt und nicht zu früh aufzugeben! Und ohne eine gewisse Disziplin geht es meisten auch nicht!

    Antworten
    • Jonas says

      5. Juli 2016 at 13:16

      Hallo Gaby,

      ja, das sind alles drei sehr wichtige Eigenschaften. Natürlich kann der Bestgekleidetste nicht mit einer Zusage nach dem Vorstellungsgespräch rechnen, wenn er nicht auch das nötige Wissen und Können mitbringt.

      Allerdings sollten wir niemals unterschätzen, wie groß der Anteil an unbewussten Faktoren bei unserer Entscheidungsfindung ist. Darüber habe ich in anderen Beiträgen schon geschrieben. Studien und Arbeiten wie Kahnemans “Schnelles Denken, langsames Denken” bieten einen guten Einstieg in die Materie.

      Grüße
      Jonas

      Antworten

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Über den Autor

Jonas Schröder ist Freizeit-Autor und notorischer Autodidakt, ein Generalist und interdisziplinär veranlagt. Sein Motto ist: Love it, change it or leave it. Und dann noch so eine Mischung aus Toyota und Nike: Nichts ist unmöglich. Mach es einfach! Er hat Philosophie und Betriebswirtschaftslehre an der Universität Mannheim studiert. Aktuell macht er den Master in Management an der Business School in Mannheim. Mehr über den Blog

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