
Neben Steve Jobs gilt Elon Musk wohl als die größte Persönlichkeit, zu der junge Gründer aufschauen und sich inspirieren lassen. Das Portfolio an Projekten, in denen Musk involviert war und ist, klingt eher nach dem Lebenswerk einer ganzen Familie als das einer Einzelperson. Das Geld, das der US-Unternehmer durch den Verkauf von PayPal 2002 erhalten hat (165 Millionen USD) steckte er fast komplett in neue, hochriskante Projekte statt sich auf die faule Haut zu legen. Die Jüngeren kennen ihn hauptsächlich durch den E-Car-Hersteller Tesla und den Raketenbauer SpaceX, das jüngst mit dem Hyperloop wieder in den Medien war. Liest man die Beschreibung von Musks neuesten Idee namens Neuralink Project, dann bekommt man schnell das Gefühl, Werbung für einen neuen SciFi-Streifen zu lesen statt die Beschreibung eines Produkts. Da reiht sich das Mars-Projekt perfekt ein.
Über eine so höchstinteressante Person muss ich natürlich mehr erfahren. Und als ich letztens in der örtlichen Buchhandlung war, um mich vom Lernen für die Uni abzulenken, da stieß ich auf die Biografie von Elon Musk, die es seit diesem Jahr auch auf deutsch gibt.
Darin lassen sich viele spannende Geschichten zu Musks Werdegang finden. Außerdem erhält man einen Einblick darin, wie dieser Mann tickt und denkt.
Im folgenden Blogbeitrag möchte ich einen kleinen Einblick in Musks Umgang mit Mitarbeitern und seine Art des Projektmanagements geben.
Viel Spaß beim Lesen. Ich freue mich auf eure Meinung dazu.
Jonas
Musks aggressive Zeitplanung
Zuallererst muss man eines über den US-Unternehmer Elon Musk wissen: Er ist von Natur aus Optimist. Mehr noch: Bei seiner Zeitplanung geht er nicht nur vom besten Fall aus, er unterschätzt den Aufwand der einzelnen Schritte und Stücke systematisch. Außerdem erwartet Musk, dass alle Beteiligten ebenso kompetent und sich genau so sehr in die Aufgaben reinhängen wie er selbst.
Musk ist bekannt dafür, kaum zu schlafen und durchaus auch mal eine 100-Wochenstunde zu schieben, sollte es das Projekt erfordern. Der Unternehmer, der häufig von den Medien als realen Tony Stark betitelt wird, arbeitet nicht nur viele Stunden, er bemüht sich auch um Geschwindigkeit. Und zwar überall. So erzählt ein Mitarbeiter Ashlee Vance für seine Biografie über Musk: “Er pinkelt sogar schnell, wie ein Feuerwehrschlauch – drei Sekunden und fertig. Er ist wirklich und wahrhaft gehetzt.” So ein Verhalten bleibt natürlich nicht ohne Risiken und Probleme, über die ich später noch schreiben werde.
Teils aus Spaß, aber dennoch mit einem Funken Wahrheit, beschreibt das frühe Team-Mitglied von SpaceX Brogan, wie Musk den Zeitaufwand für Projekte abschätzt: Er nehme einfach de Zahl an Sekunden, die für das bloße Eintippen einer Zeile Quellcode benötigt wird, und multipliziere sie dann mit der geschätzten Anzahl an Zeilen Code. Fertig sei die Terminplanung.
Die Medien feiern ihn als Innovator und Leiter von Unternehmen mit revolutionären Produkten. Seine Ankündigungen sind legendär, aber selten glaubwürdig für Kenner der Branche. Diese öffentlichen Versprechen und Ankündigungen aber sind der Haupttreiber für das interne Projektmanagement. Die aggressive Zeitplanung ist dabei eher die Folge. Ganz nach dem Motto: So, jetzt habe ich das versprochen, nun müssen wir auch liefern.
Management by Deadline
Aber nun zu Elon Musks Methode, die ich Management by Deadline nennen möchte. Schließlich muss es sich dabei ja um mehr handeln als Optimismus und Fleiß. Im Zentrum steht die sehr aggressive, vielleicht sogar unrealistische Zeitplanung, die aus Musks Optimismus entspringt. Jeder Ingenieur, der sich gegen Musks Management by Deadline sträubt, wurde ziemlich schnell gefeuert. Um zu überleben, mussten die SpaceX-Mitarbeiter zügig Methoden entwickeln, um die von Musk gesetzten Ziele auch einhalten zu können. Sie haben gelernt, auf den Tag genau zu planen – manchmal auch minutengenau.
Das Ergebnis waren gerade zu Beginn von SpaceX Pseudo-Zeitpläne, von denen die Manager wussten, dass Musk sie mögen wird, die aber unmöglich waren, einzuhalten. Falsche Hoffnung sowohl bei Musk als auch falsche Versprechen gegenüber den Kunden waren die unweigerliche Folge. Gwynn Shotwell, Präsidentin von SpaceX, rief häufig bei verärgerten Kunden an und bat um Entschuldigung für die unvermeidlichen Verzögerungen. Nebenbei nannte sie dann realistische Termine.
Einen aggressiven Zeitplan erstellen kann jeder. Was Musks Management by Deadline effektiv macht, ist seine Art, das Maximum aus den Mitarbeitern herauszuholen.
Gewöhnliche Manager geben Ziele einfach vor. Sie sagen: “Du musst damit bis Freitag um 14 Uhr fertig sein!” Musk hingegen sagt: “Ich brauche das Unmögliche bis Freitag um 14 Uhr. Schaffst du das?” Der Unterschied läge darin, so Brogan, dass die Mitarbeiter sich selbst verpflichten, das Ziel zu erreichen. Eine intrinsische Motivation setze ein. Man möchte die Arbeit rechtzeitig erledigen und streng sich besonders an.
Hartes Rekrutierungsverfahren bei SpaceX
Ein anderer Trick, den Musk einsetzt, lässt sich im rigorosen Auswahlprozess für neue Mitarbeiter finden. Gerade in der Anfangszeit suchten die SpaceX-Rekrutierer über akademische Paper nach Experten mit hochspezialisierten Kompetenzen. Potenzielle neue Mitarbeiter, die es in die engere Auswahl geschafft haben, bekamen eine Einladung in einem unbeschrifteten Umschlag, fast wie in einem Agentenfilm. Es folgte ein erstes persönliches Gespräch in einem Restaurant oder Café in der Nähe.
Wie viele Technologiefirmen schickt auch SpaceX potenzielle neue Mitarbeiter durch einen Spießrutenlauf aus Tests und Gesprächen. Manche der Gespräche sind lockere Plaudereien, in denen sich beide Seiten kennenlernen. Andere sind voller Rätselaufgaben die ziemlich schwierig sein können. – Biografie von Elon Musk
Neben Ingenieuren wurde auch von Managern und Verkäufern einiges abverlangt. Am schlimmsten haben es wohl die Programmierer, die mit 500 Zeilen Code harte Aufgaben lösen müssen. Wer es in die Endrunde schafft, der muss Musk in einem Essay von sich überzeugen. Die Frage: Warum willst du bei SpaceX arbeiten.
Durch den Fokus auf individuelle Leistung und Bereitschaft spart sich das Team Zeit für Meetings und Kompromisse. So zumindest in der gut klingenden Theorie. Als Beispiel wird Steve Davis genannt, der 22. Mitarbeiter bei SpaceX und gegenwärtige Leiter des Bereichs Zukunftsprojekte, der angeblich seit Jahren 16 Stunden am Tag arbeitet und so mehr schafft als elf Leute zusammen.
Die Biografie ist voll von solchen Anekdoten, die die Grenze zu Legenden fast schon überschreiten. Ich denke, es ist klar geworden, wie Musk denkt und mit seinen Angestellten umgeht. Klingt doch alles super, oder? Einfach träumen, harte Ziele setzen und andere herausfinden lassen, wie man diese erreicht. Betrachten wir im nächsten Abschnitt das ganze doch mal von der kritischen Seite.
Probleme und Kritik der Methode
Die Unternehmen, die Musk leitet, sind sehr flexibel und agil. Einen richtigen festen Plan gibt es da selten. Und gerade so können innovative Produkte überhaupt erst erdacht und gefertigt werden. Das Management by Deadline, das Musk wie kein anderer auf die Spitze treibt, motiviert durchaus die hellen Köpfe der Unternehmen. Und die fast schon verrückten Projekte ziehen die Talente erst an.
Aber genau so bekannt wie die Marken Tesla und SpaceX ist auch die Unfähigkeit dieser Unternehmen, eigene Deadlines und öffentliche Versprechen zu erfüllen. Die Presse kritisierte Musk häufig dafür, angekündigte Termine zur Auslieferung von Produkten nicht einzuhalten. Der Druck zwang ihn in der Vergangenheit häufig vor die Kamera und Mikrofone von Journalisten, um sich öffentlich für die Verzögerungen zu entschuldigen.
Ganz aktuell ist die Stimmung an der Börse, was Tesla betrifft, auch nicht so rosig wie noch vor ein paar Wochen. Hat das Unternehmen im April 2017 noch GM den Platz als wertvollste Autofirma nach Marktkapitalisierung abgenommen, ist diese Position gegenwärtig nicht mehr in Teslas Händen. “Noch vor wenigen Tagen war der Elektroautobauer mehr als 63 Milliarden wert. In Sorge um möglicherweise zu ambitionierte Ziele haben die Aktien aber seit der vergangenen Woche fast 15 Prozent an Wert eingebüßt.” schreibt Finanzen.net vor wenigen Tagen am 6. Juli 2017.
Er selbst widerspricht dem Vorwurf einer zu aggressiven Zielsetzung. Unmögliche Ziele fände er demotivierend. Allerdings gibt Musk zu, in der Vergangenheit den Aufwand von Projekten zu optimistisch eingeschätzt zu haben. Gerade in der frühen zeit von SpaceX habe er sich nach eigenen Angaben um 200% überschätzt, was daran lag, dass er noch nicht wusste, was man alles für einen Bau von Raketen braucht.
Ashlee sprach für sein Buch gegenüber Musk explizit sein Versprechen an, die Rakete Falcon 1 von SpaceX bis 2003 zum Fliegen zu bringen. Er beschreibt sein schockiertes Gesicht. Seine Antwort: “Im Ernst? Haben wir das gesagt? Wahrscheinlich wusste ich gar nicht, worüber zum Teufel ich rede.”
Zur Verteidigung: Alles, was Musk bis dato kannte, war Software. Und die ist wesentlich leichter zu entwickeln als Rakten, da weniger Leute involviert sind und das, was schiefgehen kann, überschaubar ist. In den letzten Jahren haben Tesla und SpaceX ihre Termine besser einhalten können.
Bewundernswert finde ich Elon Musk und seine Projekte allemal. Es ist nur nicht alles so bezaubernd und toll, wie in den Meiden häufig über ihn berichtet wird. Das wurde mir klar, als ich die offizielle Biografie gelesen habe.
Lesetipp:
Zu den Stärken von Musk zählen besonders seine Lernbegierde, Bereitschaft zu arbeiten und die Fähigkeit, schnell eine fundierte Entscheidung zu fällen. Das wird dem Leser beim Lesen der vielen Anekdoten klar. Und das finde ich wirklich bemerkenswert. Schließlich kann man, bei aller Kritik an Musks Verhalten gegenüber Mitarbeitern, ihm nicht nehmen, dass er ein äußert erfolgreicher Visionär und Unternehmer ist.
Jedem, der sich für Unternehmertum und Veränderung des Status Quo interessiert, der findet in Biografie von Elon Musk, geschrieben von Ashlee Vance, eine gute Quelle für Inspiration und Motivation.
Aktuell gibt es auf deutsch nur die Hardcover-Variante. Wer Geld sparen möchte, der kann noch auf das Taschenbuch warten, dass irgendwann im Herbst rauskommen müsste. Oder man greift auf die englische Originalversion für 7 Euro zurück.
Hallo Jonas,
also der Artikel hat mich wirklich gefesselt. Wirklich sehr gut geschrieben.
Eine tiefe Recherche über Elon Musk sein Leben und sein Mindset. Vieles kann man sich von ihm abgucken, obwohl ich jedoch nicht in dieser aggressiven Art und Weise leben und arbeiten würde. Denn an den nicht realisierten Versprechen sieht man, dass Druck nicht immer zum gewünschten Erfolg führt.
Dennoch, ein Vorbild ist er allemal.
Viele Grüße
Sladjan
Hallo Sladjan,
danke für deinen Kommentar, der mein Fazit ziemlich gut widerspiegelt.
Manche Menschen sind einfach so, haben eine starke Persönlichkeit und sind impulsiv. Dieses Verhalten zu mimen, in der Hoffnung, dann auch so ein erfolgreicher Visionär und Leader wie Musk oder Jobs zu werde, ist naiver Irrglaube. Was Menschenführung angeht, da sollte man besser zu anderer Literatur greifen.
Gruß
Jonas