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In diesem Monat soll es um das Lernen gehen. In diesem Artikel wird das Konzept des verstärkende Lernens vorgestellt, welche mittlerweile so weit in der Bevölkerung angekommen ist, dass sich so ziemlich jeder etwas darunter vorstellen kann, auch wenn ihm die Bezeichnung nicht geläufig ist.
Außerdem möchte ich eine Studie mit Hunden vorstellen, das für den einen oder anderen vielleicht etwas grausam und traurig klingt. Das Ergebnis der Beobachtung ist die Vermutung, dass Tiere und Menschen einen depressiven Zustand erreichen können, ja gar antrainiert bekommen. Mehr zur sogenannten erlernten oder gelernten Hilflosigkeit in diesem Beitrag.
Lernen durch Erfahrungen
Wie lernen wir eigentlich? Damit meine ich nicht das Pauken eines Studenten kurz vor der Klausur. Auf einer ganz einfachen Ebene und aus praktischer Sicht gefragt: Wie lernen wir? Warum berühren wir keine heißen Herdplatten (zumindest nicht absichtlich)? Weil wir gelernt haben, dass es keine gute Idee ist, das zu tun.
Das Konzept des direkten Lernens durch eigene Erfahrungen wird als “verstärkende Lernen” (reinforcement learning) bezeichnet. Wir haben gewisse in der Vergangenheit ausgeführte Handlungen geistig bewertet und diese Bewertung abgespeichert (value representation). Zum Beispiel wissen wir, dass spitze Dinge weh tun können. Ein Kleinkind hingegen muss diese Erkenntnis erst selbst sammeln, sprich die Erfahrung machen, dass Dornen weh tun.
Greift das Kind in eine Rosenhecke, so verletzt es sich. Es merkt sich, dass es Schmerzen bereitet, solche Pflanzen anzufassen. Diese Erkenntnis wird womöglich durch weitere zukünftige Erfahrungen ergänzt.
Allerdings haben Studien von Tierverhalten gezeigt, dass das Konzept des verstärkenden Lernens alleine nicht ausreichend ist, um tierisches Lernen zu erklären. Manche Tiere (uns Menschen eingeschlossen) können durch das Verhalten anderer lernen, ohne selbst direkt Erfahrungen gemacht zu haben (Dazu nächste Woche mehr).
Erlernte Hilflosigkeit
Wer als Kind in einer ländlichen Region aufgewachsen ist oder auf einem Bauernhof Urlaub gemacht hat, der kann sich sicherlich gut an das erste Mal erinnern, als er einen elektronischen Zaun berührt. Peng! Schock!
Um Elektroschocks soll es auch bei der folgenden kleinen Exkursion gehen, bei der die negative Folgen des Lernens im Zentrum stehen. Die amerikanischen Psychologen Seligman und Maier fanden Mitte letzten Jahrhunderts einen Effekt, den sie erlernte Hilflosigkeit tauften.
Erlernte (auch gelernte) Hilflosigkeit beschreibt die Erwartung eines Individuums, bestimmte Situationen oder Sachverhalte nicht kontrollieren und beeinflussen zu können. […] Diese Selbstbeschränkung bzw. Passivität ist auf frühere Erfahrungen der Hilf- und Machtlosigkeit zurückzuführen. Das Individuum erfährt einen Kontrollverlust, indem eine ausgeführte Handlung und die daraus resultierende Konsequenz als unabhängig voneinander wahrgenommen werden. – Wikipedia
Versuchsaufbau
Basis für diese Theorie ist folgender Versuch bei Hunden, der in zwei Phasen verläuft. In der ersten Phase sind die Hunde in drei Gruppen eingeteilt.
- Gruppe A: Die Hunde befinden sich in einem Apparat und bekommen elektrische Schocks, die sie umgehen können, wenn sie einen Schalter umlegen. Das finden sie schnell heraus. Sie lernen.
- Gruppe B: Die Hunde dieser Gruppe befinden sich in einem ähnlichen Apparat wie die der Gruppe A, allerdings können sie mit ihrem Verhalten nicht die elektrischen Schocks verhindern oder umgehen.
- Gruppe C: Das ist die Kontrollgruppe. Elektrische Schocks bleiben aus.
In der zweiten Phase werden die Hunde jeder Gruppe in eine sogenannte zweiwegige Shuttle-Box gesetzt. Das sind zwei Kästen, die über einen kleinen Weg miteinander verbunden sind. Die Böden der linken und rechten Hälfte werden abwechselnd unter Strom gesetzt.
Die Reaktion der Tiere ist unterschiedlich, je nachdem welcher Gruppe sie zuvor angehörten. Während die Hunde der Gruppe A und C den Mechanismus verstehen und einfach auf die andere Seite der Shuttle-Box wechseln, um den Schocks zu entfliehen, so ist das Verhalten der Tiere der Gruppe B ein ganz anderes.
Viele Hunde bewegen sich überhaupt nicht, versuchen es gar nicht erst, den Schocks zu entfliehen und legen sich lethargisch auf den Boden, in der Hoffnung, dass der Pein bald ein Ende findet. Vermeintlich können sie ja eh nichts dagegen tun. Sie haben die Hilflosigkeit quasi gelernt.
Fazit
Das Konzept der gelernten Hilflosigkeit ist schon ein wenig eingestaubt. Für Psychologie-Leihen (wie mich) klingt die Theorie zunächst einleuchtend. Aber sucht man nach wissenschaftlichen Papers zum Thema, dann findet man auch ziemlich schnell Kritiken und Umformulierungen dazu. Die Hunde-Studie ist ein Fakt, die Übertragung auf den Menschen würde ich aber im Bereich der Parabeln ansiedeln.
Was mich als technophile Person besonders begeistert, ist der Fortschritt im Bereich der künstlichen Intelligenz. Deshalb finde ich es besonders spannend, wenn versucht wird, menschliches Lernen auf Maschinen zu übertragen. Geht dir das genau so? Dann scroll ein bisschen weiter. Dort habe ich ein interessantes Video angehängt.
Quellen:
Hier noch weiterführende Literatur.
- Technische Diskussion, wie sich verstärkendes Lernen mittels eines Algorithmus in neuronalen Netzen abbilden lässt (Stackoverflow: Training a Neural Network with Reinforcement learning)
- Das ursprüngliche Werk von Seligman auf deutsch: Erlernte Hilflosigkeit (inkl. Anhang: “Neue Konzepte und Anwendungen” von Franz Petermann)
- Learned Helplessness in Humans: Critique and Reformulation (Journal of Abnormal Psychology, 1978)
- Learned Helplessness (You are not so smart Blog)
Außerdem: Ein interessantes Video das zeigt, wie ein Computer aus Fehlern lernt.
Sorry, aber ich finde es einfach nur widerlich, was Menschen in ihrem Wahn, alles empirisch und wissenschaftlich “beweisen” zu wollen, für Grausamkeiten ersinnen können. Zu wahrer Erkenntnis gelangt man so nicht..
Hallo Anna,
ja, es ist erschreckend, wenn man die Tierexperimente des letzten Jahrhunderts anschaut. Auch wenn Erkenntnis die Folge mancher Experimente gewesen wäre, rechtfertigt es in meinen Augen auch nicht das systematische Züchten und Benutzen von leidensfähigen Wesen.
Allerdings ist dieses Experiment, wie gesagt, knapp fünfzig Jahre alt. So etwas würde heute nicht mehr (so einfach und öffentlich publiziert) stattfinden.
Grüße
Jonas