
In meinem letzten Gedankennahrung Empfehlungsbrief an alle Newsletter-Abonnenten habe ich bereits das unterhaltsame Forschungsprojekt experiMENTAL kurz vorgestellt. Im folgenden Gastbeitrag möchte ich auch die Macher (Spacebase aus Berlin) zu Wort kommen lassen. Genauer gesagt Philipp, der zufälligerweise auf dieselbe Universität wie ich gegangen ist.
Viel Spaß beim Lesen des Gastbeitrags und beim Schauen der kurzen Videos über ganz unkonventionelle Wege zu mehr Kreativität, die vielleicht im beruflichen Umfeld eher in Maßen genutzt werden sollten. Je nach Unternehmenskultur, sag ich mal.
Jonas
PS: Eventuell auch interessant: Kreativität und Ehrlichkeit – Sind kreative Menschen die besseren Lügner?
Wege zu mehr Kreativität
Kreativ zu sein, ist einfacher gesagt als getan. Und das obwohl Kreativität, wie inzwischen wissenschaftlich belegt ist, keine Fähigkeit ist, über die einige von uns verfügen und andere nicht. Kreativ zu denken ist angeboren, bei jedem von uns. Das Problem ist: die dafür verantwortlichen Hirnareale zu aktivieren, muss gelernt werden. Dazu muss man vor allem eins: sich lösen können von den Restriktionen des Alltags und seinen Gedanken Freiraum bieten.
Die schlechte Nachricht vorweg: Es gibt leider kein festgelegtes Rezept für Kreativität, keine Schrittfolge von 10 Dingen, die Out-Of-The-Box-Denken garantieren und auch keinen Smoothie, den man trinken kann, um sie herbei zu beschwören. Aber es gibt einige Faktoren, die anscheinend Einfluss auf die Fähigkeit haben, innovativ zu denken. Dazu haben wir vom Berliner Startup Spacebase eine Webserie namens experiMENTAL gedreht.
Bei experiMENTAL wurden Probanden verschiedenen Einflüssen ausgesetzt und anschließend mit Hilfe von A/B-Tests überprüft, wie viele Ideen sie haben – also eine einfache Überprüfung ihres kreativen Potentials. In den ersten drei bisher erschienenen Folgen wurden die folgenden Faktoren getestet:
1. Sport ist wirklich kein Mord
Im ersten Experiment stehen sich die Lieblingsbeschäftigung vieler Deutschen und eine südamerikanische Sportart gegenüber – Netflix vs. Zumba. Das enttäuschende Resultat ist, dass es wohl doch nicht damit getan ist, auf der Couch zu fläzen. Probanden, die die A/B- Tests nach einer Stunde Sport absolvierten, schnitten deutlich kreativer ab, als ihre Konkurrenten, die eine Stunde auf den Bildschirm schauten.
2. Die Gedanken sind frei (literally)
Business-Meeting zählen zum Alltag der meisten Arbeitnehmer. In den berühmt-berüchtigten Besprechungszimmern sollen neue Ideen entstehen, die die Firma voranbringen. Doch die grauen Inneneinrichtungen und minimalistische Möblierung schreien oft nicht gerade nach kreativen Ausbrüchen. Deshalb haben wir im zweiten Experiment verglichen, wie wichtig eine interaktive, freundliche Umgebung für die Kreativität ist. Und tatsächlich: im großzügig geschnittenen, offenen Loft hatten die Getesteten nicht nur mehr Spaß, sondern auch mehr Einfälle als im grauen Meetingraum.
3. Bier vor vier?
Im dritten Experiment wurde untersucht, wie Alkohol die Kreativität beeinflusst. Zur Freude vieler konnte hier tatsächlich festgestellt werden, dass das Team, welches einige Bier getrunken hat, mehr kreative Einfälle hatte, als die nüchterne Testgruppe. Doch Achtung: eine dritte Gruppe, die nicht nur ein, zwei Bierchen, sondern einige mehr getrunken hatte, hatte zwar interessante, aber nur wenige Einfälle und war auch sonst eher an anderen Dingen als Brainstorming interessiert. Die Teilnehmer waren abgelenkt und die Arbeit in der Gruppe wurde so schwieriger.
Fazit
Kreativität bleibt ein schwer zu quantifizierendes Konzept. Aber schon Kleinigkeiten scheinen zu reichen um sie in uns hervorzurufen. Denn die Unterschiede zwischen den einzelnen Gruppen sind gravierend und zeigen: Geringe Mengen Alkohol, ein ansprechendes Umfeld und Sport wirken sich positiv auf die Kreativität aus. Natürlich sind selbst sie kein Garant für Gedankenblitze. Zumindest aber sollte man sich bewusst machen, dass man aus dem Alltagstrott herauskommen muss, wenn man neue Konzepte entwickeln will.
Über den Gastautor
Philipp Kraatz hat an der Universität Mannheim BWL studiert und ist danach nach Berlin gezogen um sich am Potsdamer Hasso Plattner Institut als Design Thinking Experte zu zertifizieren. Privat forscht er zu den Themenfeldern Innovation, Psychologie und Design. Zur Zeit arbeitet er als Editor für das Berliner Startup Spacebase und betreut konzeptionell die Forschungsgruppe experiMENTAL, bei der versucht wird, herauszubekommen, welche Reize bzw. Umstände zu einem erhöhten Grad an Kreativität führen.
Nachtrag Jonas:
Es ist natürlich klar, dass diese Experimente nicht den allgemein anerkannten wissenschaftlichen Standards standhalten. Unterhaltsam sind sie trotzdem und eine gut Abwechslung für all diejenigen, die meine Beiträge über wissenschaftliche Aufsätze und Bücher nicht so zusagt. Und als Aufhänger für lustige Diskussionen in der Kneipe mit Arbeitskollegen oder auf der nächsten WG-Party eignen sich die vorgestellten “Theorien” durchaus auch.
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